Verlust aufbewahrungspflichtiger Unterlagen aufgrund von Hochwasserschäden
16.07.2021
Viele Betriebe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind aktuell von Hochwasserschäden betroffen. Hierbei wurde eine Vielzahl von aufbewahrungspflichtiger Buchhaltungsunterlagen zerstört.
Billigkeitsmaßnahmen aufgrund höhrerer Gewalt geboten
Grundsätzlich ist die Buchführung oder Aufzeichnung selbst bei unverschuldetem Verlust der Geschäftsunterlagen nicht ordnungsgemäß (s. Vor §§ 140–148 AO Rz. 24; vgl. BFH v. 15.2.1973, V R 152/69, BStBl II 1973, 466; Trzaskalik, in HHSp, AO/FGO, § 147 AO Rz. 12.) Somit kann insbesondere eine Schätzung nach § 162 AO in Betracht kommen.
Allerdings kann es im Einzelfall aus Billigkeitsgründen geboten sein, das Fehlen der Unterlagen unberücksichtigt zu lassen, sofern keine anderen Anhaltspunkte ersichtlich sind, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen (vgl. GemS-OGB v. 19.10.1971, GemS-OBG 3/70, BStBl II 1972, 603).
Diese Billigkeitsmaßnahme ist in Fällen höherer Gewalt, wie z. B. Vernichtung durch Wassereinwirkung oder Brand, also Ereignissen, die der Aufbewahrungspflichtige auch bei äußerster Sorgfalt nicht verhindern konnte, geboten. Insoweit reduziert sich der Ermessensspielraum der Finanzbehörde bei der Billigkeitsentscheidung (vgl. Rz 54 in Schwarz/Pahlke, AO § 147 Ordnungsvorschriften für die Aufbewahrung von Unterlagen).
Reaktion der Finanzverwaltung bei ähnlichen Ereignissen in der Vergangenheit
Zuletzt hat das Hessische Finanzministerium aufgrund der im Januar und Februar 2021 in Nord-, Mittel- und Südhessen entstandenen Schäden durch Hochwasser folgende Regelung erlassen (FinMin Hessen, 9.2.2021, S 1915 A - 026 - II11):
„Sind unmittelbar durch das Schadensereignis Buchführungsunterlagen und sonstige Aufzeichnungen vernichtet worden oder verloren gegangen, so sind hieraus steuerlich keine nachteiligen Folgerungen zu ziehen. Der betroffene Steuerpflichtige sollte die Vernichtung bzw. den Verlust zeitnah dokumentieren und soweit wie möglich nachweisen oder glaubhaft machen.“
Umfangreiche Dokumentation notwendig
Wir raten Ihnen daher den entstandenen Schaden ausführlich anhand von Fotos zu dokumentieren und gegenüber Dritten (Versicherungen) geltend zu machen. Die gesamte Dokumentation sollte den Finanzbehörden übersandt und der Sachverhalt somit proaktiv angezeigt werden.
Steuerliche Maßnahmen zur Beseitigung von Hochwasserschäden
In der Vergangenheit reagierte die Finanzverwaltung in vergleichbaren Fällen zur Unterstützung der betroffenen und beschloss steuerliche Unterstützungsmaßnahmen wie: ·
- Sonderabschreibungsmöglichkeiten zum Wiederaufbau von Betriebsgebäuden oder der Anschaffung von Maschinen
- Steuerstundungen oder Aussetzen von Vollstreckungsmaßnahme
Bitte prüfen Sie auch, ob Ihre derzeitige Situation eine Anpassung der Steuervorauszahlungen zum 10.09.2021 notwendig macht und sprechen Sie uns an, damit entsprechende Anträge gestellt werden können.
Sobald uns konkretere Informationen zu konkreten steuerlichen Regelungen aus Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz vorliegen werden wir Sie weiter informieren.
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